4.7.2014
Ich bin mit Abby in einem kleinen Eckbistro mitten im Kneipenviertel verabredet. In ihrer aufmerksamen und zuvorkommenden Art holt sie mich mit dem Pickup ab, denn das Haus liegt gute 150
Höhenmeter oberhalb, auf einem der Hügel über der Stadt. Trotzdem besteht die gesamte 4er WG, wo neben Abbys Freund Tom noch Zach und Scott wohnen, aus ausgesprochenen Fahrradjunkies. Jeder rollt
morgens zur Arbeit um dann nachmittags das tägliche Fitnessprogramm quasi auf dem Heimweg zu erledigen. Damit ist es allerdings noch längst nicht genug. Neben jeder Menge anderer sportlicher
Hobbies geht man abends oder am Wochenende entweder Mountainbiken oder man trifft sich mit Freunden zu einer Roadbike- (Rennrad)-runde.
Alles in allem hat Wellington allerdings nicht gerade die optimale Topographie für eine Fahrradstadt. Trotzdem habe ich den Eindruck, daß sich hier mehr Leute als in anderen neuseeländischen
Städten, auf den Sattel schwingen. Die einzige steigungsfreie Straße ist die parallel der Küstenlinie. Sie führt allerdings an unzähligen kleinen Buchten entlang, womit sie nicht gerade kurze
Verbindungen schafft.
Wo viele Radfahrer sind, gibt es in der Regel auch zahlreiche Radläden. Und als ich Tom von meinem Speichenproblem am Hinterrad (mittlerweile habe ich Speiche Nummer 14 ersetzt) erzähle, gibt er
mir die Adresse eines „Wheelbuilders“. Der Plan ist, mir ein komplett neues Hinterrad machen zu lassen. „Machen lassen“ deswegen, weil ich die Rohloff-Nabenschaltung habe und nicht einfach, wie
bei Kettenschaltungen, was von der Stange kaufen kann. Das Rad muss mit neuen Speichen und neuer Felge von Hand um die alte Nabe aufgebaut werden.
Nachdem ich vor Ort im Laden war, machen wir für den nächsten Tag einen Termin aus und innerhalb von etwa vier Stunden kann ich mein Rad wieder abholen. Der Preis von 300,- $ NZ, (knapp 200,- €)
ist zwar verglichen mit vorgefertigten Laufrädern nicht ohne, aber irgendwie gibt mir die Handarbeit und der persönliche Kontakt Sicherheit und Vertrauen. Hoffen wir mal das beste, toi, toi,
toi!
Wellington hat allerdings bedeutend mehr zu bieten als bloß Fahrräder, ihre Benutzer und ihre Händler oder Konstrukteure. Ein absolutes Highlight ist das Nationalmuseum „Te Papa“, dass einen
unglaublich umfassenden und gleichzeitig detaillierten Überblick über sämtliche Lebensbereiche in Neuseeland gibt. Nicht nur die Maoritraditionen und ihre Ausrottung durch die Weißen, auch Flora,
Fauna, Geschichte und Geologie werden sehr plastisch und oft interaktiv aufbereitet. Mir persönlich war zwar das Konzept der künstlichen Ausleuchtung in ansonsten dunkler Umgebung etwas zu
gruftig und überzeichnet, aber gerade für die jüngeren Besucher schafft das vielleicht einen besseren Fokus auf das Wesentliche. Der Eintritt zu den meisten Bereichen ist übrigens frei und das
Gebäude riesig, weshalb ich öfter für ein Stündchen dort hingehe um dann wieder in die Stadt einzutauchen.
Eine andere Besonderheit wird mir von Tom ans Herz gelegt. „Zealandia“ ist ein riesiges
Biotop, in dem sich einige bedrohte Vogel- und Echsensorten finden, da es von einem 2,20 Meter hohen Spezialzaun umgeben ist, der es gegen sämtliche Raub- und Nagetiere abschottet. Speziell ist
der Zaun deswegen, da er aus engmaschigen Gitterblech besteht, das so eng ist, dass Mäuse und andere kleine Nager nicht durchkommen. Außerdem ist unterirdisch eine Schürze nach außen konstruiert,
die ein Untergraben verhindert. Als letzte Vorkehrung ist oben ein Dach in Form einer halben Röhre aufgesetzt, welches dann auch der Raubkatze, die die 2,20 Meter meistert, ein Überwinden
unmöglich macht.
Das Areal ist 225 Hektar groß und umfasst ein ganzes Tal inklusive zwei ehemaliger Trinkwasserspeicherseen. Die auffälligsten hier aus der Nähe zu erlebenden Vögel sind Tuis, Kakas, Fantails.
Eine besondere Spezialität sind die Tuataras eine Brückenechse, deren Vorkommen man auf mindestens 240 Millionen Jahre beziffert.
Kulturell ist Wellington sicherlich der Nabel in Neuseeland, was vielleicht auch daran liegt, daß hier die Regierung und damit verbunden auch die Kulturfördertöpfe sitzen. Ich erlebe ein kleines
Subkulturfestival, daß am Hafen in circa zwanzig neben- und übereinander angeordneten Containern stattfindet. Neben einer Musik- und einer Performancebühne gibt es Kunsthappenings zum mitmachen,
eine öffentliche Badewanne im ersten Stock und jede Menge Austellungszellen. Die Szene macht einen recht quirligen und frischen Eindruck.
Einen Abend verbringen wir im Pub und ich koste diverse Fassbiere die ausgesprochen interessante Noten haben. Im Gegensatz zum deutschen Bier wird hier stark in kleinen Brauereien und
entsprechenden Auflagen gebraut. Dabei finden auch schon mal Früchte, Gewürze oder das Einlagern des Gebräus in alten Sherryfässern Verwendung. Auch der Preis dieser Handwerkserzeugnisse rangiert
dann eher in der Weinliga. 10 NZ$ (6,50€) für einen Liter sind keine Seltenheit.
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