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Ich erreiche "Punta Arenas" ("Sandy Point", wie es ursprünglich auf Englisch hieß) gegen Mittag. Der Wind hat gnädigerweise am Vormittag noch etwas nachgelassen und so ist die Ankunft
einigermaßen problemlos, sieht man von den kilometerlangen Vororten ab, die es zu durchqueren gilt. Man merkt, daß hier Platz keine Rolle spielt und die Orte gerne in die Breite statt in die Höhe
wachsen. Außerdem sind Bauruinen und verwaiste Gebäude an allen Ecken zu sehen.
Auf der Suche nach einem Zimmer, setzte ich mich ins erste Cafe neben der Touristinformation und bemühe das Netz. Die einschlägigen Hostals scheinen sehr stark frequentiert und relativ teuer zu
sein. Irgendwann gesellen sich Flora und Brian zu mir, da sie mein Rad draußen stehen gesehen haben. Sie sind auf dem einzigen Zeltplatz, dem Hinterhof eines Hostals, daß wegen seiner günstigen
Preise jede Menge Leute anzieht und entsprechend voll ist.
Da ich mehr Lust auf Ruhe und Privatspähre habe, entschließe ich mich, verschiedene Adressen abzuklappern. Nach dem zweiten ausgebuchten oder zu teuren Hostal wird mir auf der Straße eine
Visitenkarte eines Hostals der Caritas überreicht. Die Preise scheinen vernünftig, die Lage ok. Also radle ich hin und bin überrascht. Es gibt Frühstück, WiFi und ich habe sogar ein eigenes
Badezimmer. Außerdem steht mein Fahrrad im Trockenen.
"Punta Arenas" ist wirklich eine Metropole - zumindest hier unten. Es ist allerdings nicht so groß, als daß ich nicht am nächtsen Tag Flora und Brian an der "Plaza des Armas" wieder treffe, ohne
daß wir uns verabredet wären. Wir suchen zusammen einen Supermarkt, der sonntags auf hat, was hier scheinbar nicht so einfach ist, wie sonst auf dem Land. Aber es gibt ihn!
Außer der sicherlich historisch, wie auch architektonisch interssanten Seite gibt es in Punta Arenas leider wenig zu erleben. Die trendigen Cafes, die sich in "Puerto Natales" noch
aneinanderreihten, muss man hier suchen. Dabei findet man allerdings manches Interessantes, wie zum Beispiel, das "Cafe des Immigrantes", das von kroatischen Einwanderern von der Insel Brac
gegründet wurde. Insgesamt scheint hier eine starke kroatische Diaspora zu existieren. Neben einigen Straßennamen gibt es auch mehrere kroatische Clubs in der Innenstadt.
Das strenge Raster des Ortes wird von drei Hautverkehrsadern eingerahmt. Die "Avenida Christobal Colon" im Norden, die "Avenida España" im Westen und die "Avenida Independencia" im Süden.
Außerhalb davon beginnen die "Barrios" (Vororte). Im südwestlichen Quadranten, wo mein Hostal liegt, befinden sich jede Menge Nachtclubs. Vormittags werde ich in diesen Vierteln von auf der
Straße wartenden Männern um Geld angeschnorrt. Ich kann sie aber leicht abwimmeln und es kommt zu keiner Esalation. Abends versuchen die selben Gestalten mich in irgendwelche Etablissements zu
lotsen. Aber auch diese Aufdringlichkeiten lassen sich gut parieren.
Als gelungenen Kontrast des Viertels möchte ich die Panaderia an der Avenida Español erwähnen, dessen leckere und preiswerte Empanadas mir so manches Abendessen bereiteten. Auch die nahegelegenen
Händler haben keine Touristenpreise veranschlagt, wie ich das im Stadtzentrum erlebt habe.
Trotzdem ist "Punta Arenas" für mich mehr Stress als Entspannug, und so beschließe ich am nächsten Tag, dem 31. Dezember, die Fähre nach "Tierra del Fuego" (Feuerland) zu nehmen um Sylvester in
eher abgeschiedenener Athmosphäre zu verbringen.
Da ich nun bald Chile auf Dauer verlasse bleibt noch etwas Zeit, einige Eigentümlichkeiten dieses Landes (und vielleicht ganz Südamerikas) aufzulisten:
Kaffee ist hier grundsätzlich löslich und kommt auch meist von der Firma, die den löslichen Kaffee zuerst industriell auf den Markt brachte und auch in Mainz eine Dependance betreibt, die vor allem die Neustadtluft bei Nordwind mit einer penetranten "Trockenmilchkaffee"-Note würzt.
In vielen Cafes und Restaurants werden die Servietten in Bechern oder Kelchen zu blütenähnlichen Gebilden aufgetürmt. Der Kaffee wird dann in Form einer leeren Tasse mit einem Tütchen Kaffeeextrakt, sowie Zucker und Milch serviert. Hat man die Tasse mit den Ingredienzien nach den persönlichern Vorstellungen gefüllt, erscheint dann die Bedienung ein zweites mal mit einer Kanne heißen Wassers oder auch eines Wasserkochers und zaubert aus den Feststoffen ein Getränk.
Klopapier landet hier nicht im Klo, sondern in einem separat zur Verfügung stehenden Mülleimer. Irgendwie scheinen südamerikanische Kloaken ein Problem mit Zellstoffansammlungen zu haben.
Im Supermarkt wird der Einkauf von speziellen "Fachkräften" eingetütet. Diese erwarten dafür ein Trinkgeld. Manche tun ihre Erwartungen auch mit einem zweisprachigen Anstecker "Propina, Tips" kund.
Obst und Gemüse wird grundsätzlich in der Nähe der Auslage von einer "Fachkraft" gewogen. Das selbe gilt für Brot. Vergißt man die Wiegeprozedur, gibt es an den Kassen Springer, die schnell mit den ungewogenen Tüten verschwinden und dann mit etikettierten Produkten zurückkehren.
In Chile winkt man anders als in Europa. Man erhebt die Hand und bewegt diese dann aus dem Handgelenk nach rechts und links wie einen Scheibenwischer. Es wirkt etwas kindlich, aber sympathisch.
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